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Bild-Raum-Schrift-Total

Über die Kunstaktion Bild-Raum-Schrift-Total

Therese Lippold und ich arbeiteten einen Monat mit 15 Schulklassen.
Die Idee war, mit größtmöglicher Freiheit, gemeinsam die BLECH Galerie, die wir vorher komplett mit Papier auskleideten, zu bemalen und zu gestalten. Stück für Stück begann der Raum zu verwuchern. Bei jeder Klasse gaben wir neue Impulse, wie nun mit der vorgefundenen Situation umzugehen. Dabei zeigte sich schnell, dass der Ausdruckswille der Beteiligten, rasch seine eigenen Wege finden wollte. Wir malten also ein Raumbild mit mehr als 200 Köpfen – wahrlich eine nicht zu bändigende Hydra. Eine Situation entstand, welches sich unserer Kontrolle und direkten Vorstellung entzog, wir malten also direkt ins Unbekannte. Eine malerische Abenteuerreise, wie ich sie liebe. Bei all den überlagerten Farbschichten und Formspielen, die immer wieder zu neuen Deutungen die Künstlis inspirierten, bekommt man eine leise Ahnung davon, wie die menschliche Psyche arbeitet. Und so war es, als würden durch die großen Fensterscheiben der Galerie am Steintor tausend kleine Stimmen an den Wänden, wie eine Geistesflüssigkeit kondensieren. Und so sieht man auf einmal, was sonst draußen auf der Straße passiert, innen oder was sonst in den Köpfen los ist, außen in der Welt an den Wänden in der Galerie. Als wäre alles auf einmal Farbe geworden. Als wäre die quasselnde Kakofonie, das Stimmenwirrwarr der Welt, als eine Spur ihrer selbst sichtbar geworden und hätte gesagt: Ich stehe hier und kann nicht anders, ich bin soviel Zufall und würfel immer mit den gleichen Würfeln. Aber der Zufall, das ist meine ordnende Kraft, mein ewiges Kaleidoskop und letztlich meine Freiheit. Genauso banal und wundersam zugleich, wie irgendein glitzernder Regentropfen an irgendeiner beliebigen Wäscheleine im Sonnenlicht. Deswegen können viele Menschen mit Kunst nichts anfangen. Sie haben vergessen, wie man mit einem Eimerchen und einem Häufchen Sand ein Schloss baut. 

Christoph Liedtke