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Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt

11.02.2021 – 25.04.2021

Ein Ausstellungsprojekt des Kurator*innenkollektivs: Simon Baumgart, Christina Brinkmann, Etienne Dietzel, Paula Schneider und Malte Wandel.

Pförtnerhäuschen Ammendorf , 2021

Für das Ausstellungsprojekt »Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt« begibt sich das Kurator*innenkollektiv auf eine freie künstlerische Quellenforschung nach Überresten des sozialistischen Kultur- und Arbeitsideals in den verschiedenen Phasen der DDR und der Transformationszeit bis heute. Neben Recherchen in Archiven, Gesprächen mit Zeitzeug*innen und unter Rückgriff auf historische Forschungen sind vor allem die Erkundungen des Terrains rund um den ehemaligen volkseigenen Betrieb Waggonbau Ammendorf Ausgangspunkte für die Konzeption einer Ausstellung.

In mehrteiligen Präsentationen, die Spuren dokumentieren und neu zusammenfügen, wird sie auf dem Platz Am Steintor und in dem zu einem Schaukasten umfunktionierten BLECH. Raum für Kunst Halle e.V. gezeigt.

Das Rechercheprojekt »Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt« soll eine Auseinandersetzung anstoßen, die überregionale Phänomene in der lokalen Geschichte und Gegenwart sichtbar macht. Die zweiteilige Ausstellung sucht nach den heute noch vorhandenen materiellen und strukturellen Überresten einer vergangenen Ideologie der Arbeit. Das Kurator*innenkollektiv befragt Menschen, deren Biografien durch Arbeit in der DDR geprägt sind und erforscht die Rolle von Kultur und Migration im Arbeitsalltag der DDR.

Vom Sein und vom Werden, 1969

Kapitel 1

»Die Bewegung Schreibender Arbeiter«

11.02.2021 bis 19.03.2021

Das erste Ausstellungskapitel »Die Bewegung Schreibender Arbeiter« widmet sich der Geschichte eines der größten Hallenser Industriebetriebe, dem Waggonbau Ammendorf. Ab 1960 leitete die Schriftstellerin Christa Wolf gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Gerhard Wolf, im Waggonbau einen Zirkel Schreibender Arbeiter. Ein Jahr zuvor war auf einer Autor*innenkonferenz in Bitterfeld eine engere Verknüpfung zwischen Werktätigen und Künstler*innen in der DDR beschlossen worden.

Der sogenannte »Bitterfelder Weg« sollte die Arbeiter*innen ermutigen, selbst kulturell tätig zu werden und führte zahlreiche professionelle Schriftsteller*innen in die Betriebe. Anhand der im Ammendorfer Zirkel Schreibender Arbeiter ab den sechziger Jahren entstandenen Literatur und weiterer Quellen werden gesellschaftliche Deutungen von Arbeit und Kultur aufgerufen. Arbeitsideale der DDR werden ebenso thematisiert wie historische Prozesse kultureller Auseinandersetzung mit der eigenen Lebens- und Arbeitswelt. Der Industriebetrieb wurde in der DDR ideell zum sozialen Zentrum und Mittelpunkt kultureller Bildung. Die Trennung zwischen Arbeit, Kultur und Leben, sowie die Entfremdung zwischen Arbeiter*innen, Künstler*innen und Gesellschaft sollte überwunden werden.

Demonstration in Maputo, Mosambik, 2017

Kapitel 2

»Einheit, Arbeit, Wachsamkeit«

19.03.2021 bis 25.04.2021

Auch in der DDR herrschte ab den siebziger Jahren ein Arbeitskräftemangel, vor allem in jenen Branchen, in denen immer weniger Ostdeutsche selbst arbeiten wollten. Daher warb die DDR ab 1975 Arbeiter*innen außerhalb Europas an. Das zweite Ausstellungskapitel »Einheit, Arbeit, Wachsamkeit« wirft mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR ein Schlaglicht auf das Leben ehemaliger Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik.

Es zeichnet die Geschichte der Völkerfreundschaft zwischen der DDR und der ehemaligen Volksrepublik Mosambik nach und stellt die Frage, was davon heute noch übrig geblieben ist. Im Verlauf der achtziger Jahre wurden Vertragsarbeiter*innen aus der jungen sozialistischen Volksrepublik Mosambik angeworben. Auch im VEB Waggonbau Ammendorf waren bis 1991 über 600 mosambikanische Vertragsarbeiter*innen tätig. Der Blick auf ihre Lebenswirklichkeiten wirft Fragen über Ideal und Realität der proklamierten internationalen Solidarität auf: Angeworben mit einem Ausbildungsversprechen sollten sie vor allem kostengünstige Arbeitskräfte sein. Mit zeitlicher Befristung und ohne staatliche Integrationsabsicht wurden die Vertragsarbeiter*innen meist getrennt vom Rest der Bevölkerung in Wohnheimen untergebracht; sie waren schon vor den Pogromen der neunziger Jahre Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt.

Vertragsarbeiter aus Mosambik, ca. 1986

Termine:

Freitag, 19. Februar ab 13 Uhr

Mittagsmagazin live aus der Ausstellung »Weil wir jung sind« 
im BLECH Raum für Kunst Halle, Am Steintor 12

Aktuell steht im BLECH Kunstraum am Steintor ein hölzernes Waggonskelett, das an die Arbeit im
VEB Waggonbau Ammendorf erinnern soll, einst einer der größten Betriebe der Stadt. Der
Waggon wird zum Radiostudio: Die tagesaktuelle Redaktion widmet sich der Industriegeschichte
der Stadt Halle, Betriebsstrukturen in der DDR und deren Transformation mit dem Ende des
Staates. Ein Schwerpunkt liegt auf betrieblicher Kulturarbeit und der damit verbundenen Frage:
Wie stellen wir die Arbeit dar?
 Die tagesaktuelle Redaktion widmet sich in einer Sondersendung der Geschichte der
Vertragsarbeiter*innen in der DDR, die in Halle unter anderem im Waggonbau tätig waren. Die
Migrationsgeschichten der DDR werfen Fragen auf nach dem ideellen Rahmen und den Realitäten
migrantischen Lebens in der DDR und Kontinuitäten des Rassismus.
 gefördert von:
Kunststiftung Sachsen-Anhalt
Stiftung der Saalesparkasse
Hallcube GmbH


in Kooperation mit:
Radio Corax
Tonstudio Kunsthochschule
Burg Giebichenstein
Stadt Halle


Quellen:
Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Merseburg
Privatarchiv Sven Frotscher
SchreibART e.V. - Archiv Schreibende ArbeiterInnen
Stadtarchiv Halle
Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek, Dresden


Trotz sorgfältiger Recherche ist es uns leider nicht gelungen,
alle Rechteinhaber*innen ausfindig zu machen.
Sollten wir unbeabsichtigt Rechte verletzt haben, bitten wir freundlich darum,
das Kurator*innenkollektiv zu kontaktieren.
Anregungen, Kritik, Fragen, Hinweise, gerne an:
weilwirjungsind@gmx.net